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Feedback und Vorschlag zum Servicestandard –„Open Source nutzen und Code teilen“

Der Servicestandard setzt mit Kriterium 10 ein wichtiges Ziel: Open Source nutzen, Code teilen und dadurch digitale Lösungen schaffen, die transparent, nachnutzbar und nachhaltig weiterentwickelt werden können. In der praktischen Umsetzung zahlreicher Vergabeverfahren entsteht jedoch ein strukturelles Problem, das diesem Ziel entgegenläuft.

Open Source ist nicht nur eine Lizenzform, sondern ein Entwicklungsmodell.

Während die Lizenz nur die rechtlichen Freiheiten definiert (Nutzung, Weitergabe, Modifikation), lebt das OSS-Modell von gemeinsamer Pflege: Upstream-Arbeit, Review-Prozesse, Release-Management und langfristiger Wartung durch Maintainerinnen, Communities oder verantwortliche Organisationen. Ohne diese Elemente verliert Open Source seinen Nutzen – der Code ist zwar offen, aber nicht nachhaltig.

In vielen Vergaben wird jedoch lediglich die Lizenzseite betrachtet („Der Quellcode muss Open Source sein“), während das Entwicklungsmodell nicht berücksichtigt oder nicht vergabekonform umgesetzt werden kann. Die Folge sind häufig projektbezogene Forks, die isoliert weiterentwickelt werden, ohne Rückführung in das ursprüngliche Projekt. Dadurch entstehen mehrere Varianten einer Software, die zwar formal OSS sind, aber nicht gemeinsam gepflegt werden und damit keinen nachhaltigen Wert entfalten.

Der wesentliche Grund liegt im aktuellen Vergaberecht:

Die Strukturen klassischer Vergaben erschweren es erheblich, den ursprünglichen Maintainer eines OSS-Projekts in die Weiterentwicklung einzubinden, wenn dieser nicht erneut den Zuschlag erhält. Da aber gerade dieser Maintainer die Architektur, den Review-Prozess, die Roadmap und die Community-Strukturen kennt, ist seine kontinuierliche Einbindung für nachhaltige OSS-Entwicklung zentral. Vergaben, die ausschließlich auf Trennung der Anbieter und strikte Gleichbehandlung setzen, verhindern faktisch eine Upstream-orientierte Weiterentwicklung.

Die Konsequenz ist eine Fragmentierung, die dem Servicestandard widerspricht:

Es entstehen OSS-Prototypen ohne klaren Lebenszyklus, ohne geregelte Wartung und ohne gemeinsame Weiterentwicklung. Die erwarteten Einsparungen und Synergien treten so nicht ein.

Empfehlung:

Vergabeverfahren sollten so ausgestaltet sein, dass sie das Open-Source-Entwicklungsmodell ausdrücklich unterstützen. Dazu gehört:

  • die Möglichkeit, den oder die Maintainer eines bestehenden OSS-Projekts vergaberechtskonform in die Weiterentwicklung einzubeziehen
  • die Verpflichtung zur Arbeit im Upstream statt zur Erzeugung projektlokaler Forks
  • die Berücksichtigung von Governance, Release-Management und Community-Prozessen als vergaberelevante Leistungen
  • die Anerkennung, dass nachhaltige OSS-Pflege ein Dienst ist – und nicht allein durch Offenlegung des Codes entsteht

Nur wenn Vergaben die Lizenzseite und das Entwicklungsmodell gemeinsam berücksichtigen, kann OSS im Sinne des Servicestandards wirken – als robuste, nachnutzbare und langfristig wirtschaftliche Basis öffentlicher digitaler Infrastruktur.