Free Software Foundation Europe: Deutschland-Stack als Freie Software

Der Deutschland-Stack als „nationale souveräne Technologie-Plattform“ soll das „Fundament für das digitale Deutschland“ sein und „eine souveräne, europäisch anschlussfähige und interoperable digitale Infrastruktur für Bund, Länder und Kommunen […] schaffen.“ Digitale Souveränität, im Koalitionsvertrag als Leitmotiv der Digitalpolitik der Bundesregierung vereinbart [1], meint „die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“ [2] Digitale Souveränität braucht Datensouveränität, Wechselfähigkeit, technologische sowie operative Souveränität sowie Transparenz. [3]

Freie Software, auch bekannt als Open Source, ist die notwendige Voraussetzung für souveräne digitale Infrastrukturen. Freie-Software-Lizenzen räumen allen das Recht ein, die Software für jeden Zweck zu verwenden, zu verstehen, zu verbreiten und zu verbessern. Nur durch diese vier Freiheiten erhält der Staat Kontrolle über die von ihm genutzte digitale Infrastruktur. Nur Freie Software und offene Standards, die mit Freier Software kompatibel sind, ermöglichen ein höchstes Maß an Interoperabilität und Sicherheit. Nur so kann sich die öffentliche Hand Einfluss auf die eingesetzten Software-Produkte und langfristigen Zugriff auf den mit öffentlichen Mitteln finanzierten Code sichern. Nur der konsequente Einsatz Freier Software versetzt den deutschen Staat und seine Verwaltungen in die Lage, bestehende kritische Abhängigkeiten von proprietären, zumeist nicht-europäischen Software- und Cloud-Anbietern aufzulösen und souverän zu agieren.

Der Deutschland-Stack kann das gesteckte Ziel daher nur erreichen, wenn er konsequent auf Freie Software setzt. Ein proprietärer Stack würde bedeuten, die bestehenden durch neue Abhängigkeiten zu ersetzen. Auch proprietäre Software von Herstellern aus Deutschland und Europa bietet nicht die genannten Voraussetzungen für Souveränität, bringt neue Lock-In-Effekte und kann zudem jederzeit dem Zugriff staatlicher Akteure entzogen werden, beispielsweise wenn Hersteller in Konkurs gehen oder ihren Sitz ins nicht-europäische Ausland verlagern. Vertrauensprobleme bleiben, wenn der Code intransparent ist, und Sicherheitslücken können fortbestehen, wenn es kein Recht gibt, die Software zu reparieren. Das Prinzip Free Software First, gemäß dem Deutschland-Stack-Komponenten Freie Software sein müssen, benachteiligt Hersteller proprietärer Software nicht. Vielmehr ist diese Entscheidung ein Anreiz für alle Hersteller, Freie Software zu produzieren und zu veröffentlichen, wovon nicht nur die öffentliche Verwaltung profitiert, sondern auch die europäische Wirtschaft und die ganze Gesellschaft.

Regierungen und Verwaltungen tragen Untersuchungen zufolge mit bis zu 27 % zum Umsatz von Softwareherstellern bei. Dieser Umsatz wird jedoch vorwiegend durch Hersteller proprietärer Software außerhalb Europas generiert. Strategische Beschaffung Freier Software im Rahmen des Deutschland-Stacks hingegen kann den europäischen Markt und die Industrie stimulieren und mehr Eigenständigkeit ermöglichen. Ein konsequenter Einsatz Freier Software im Deutschland-Stack bringt überdies Spill-Over-Effekte für europäische Unternehmen und Zivilgesellschaft, deren Souveränität durch die Nutzung Freier Software ebenfalls gestärkt wird.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) fordert daher eine strategische Ausrichtung des Deutschland-Stacks unter folgenden Prinzipien:

  1. Der Deutschland-Stack muss vollständig als Freie Software veröffentlicht werden und allen ermöglichen, die Software zu verstehen, zu verwenden, zu verbreiten und zu verbessern. Enthaltene Komponenten müssen unter einer Freie-Software-Lizenz stehen.
  2. Der Stack muss in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Partnerländern und der Europäischen Union vorangetrieben werden. Statt nationaler Alleingänge und Silo-Stacks brauchen wir europaweit anschlussfähige Freie-Software-Lösungen.
  3. Freie Software braucht sichere, langfristige Budgets. Die Etablierung eines Deutschland-Stacks muss mit strategischer Finanzierung der Entwicklung und Maintenance Freier Software einhergehen.
  4. Außer dem Staat und seinen Verwaltungen sind auch europäische Unternehmen, Zivilgesellschaft und Organisationen von Schulen bis hin zu freiwilligen Feuerwehren auf digitale Souveränität angewiesen. Der Stack muss daher nicht-staatlichen Akteuren zur Nachnutzung zur Verfügung stehen.

Wir verweisen auf die Stellungnahme der FSFE im Rahmen der Anhörung „Open Source“ im Digitalausschuss des Deutschen Bundestags am 4. Dezember 2024.

[1] Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 21. Legislaturperiode, Mai 2025, Z. 2139ff.

[2] IT-Planungsrat: Stärkung der Digitalen Souveränität der Öffentlichen Verwaltung. Eckpunkte – Ziel und Handlungsfelder, März 2020, S. 1. Vgl. CIO Bund: Digitale Souveränität.

[3] Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung GmbH: Souveränitäts-Washing bei Cloud-Diensten erkennen. Warum Digitale Souveränität mehr ist als ein Standortversprechen, August 2025, S. 3.